Die Vorsokratiker


Allgemein wird davon ausgegangen, dass die abendländische Philosophie im 6. Jh. v. Chr. in Griechenland entstand. In der Frühzeit hatten die Mythen die Fragen der Menschen beantwortet; diese wurden von Generation zu Generation weitererzählt. Das Ziel der ersten Philosophen war es jedoch, das mythische Weltbild zu überwinden und natürliche, rationale Erklärungen zu finden, weshalb man die ersten von ihnen „Naturphilosophen“ nannte. Sie waren davon überzeugt, dass allen Naturphänomenen ein bestimmter Urstoff zugrunde liegt.

Thales von Milet


(ca. 624-546 v. Chr.) Thales lebte in Ionien in Kleinasien. Er behauptete, der allen Dingen zugrundeliegende Urstoff sei das Wasser. Von Beruf eigentlich Kaufmann beschäftigte er sich auch mit Mathematik und Geometrie. Auch der uns bekannte „Satz von Thales“ soll auf ihn zurückgehen. Darüber hinaus soll er weite Reisen unternommen, eine Sonnenfinsternis vorhergesagt und die Höhe einer Pyramide nach der Größe seines eigenen Schattens vermessen haben.

 

Thales und die Magd
Thales wandelte eines Nachts durch die Straßen der Stadt und richtete dabei seinen Blick auf die Sterne. Er war so vertieft, dass er nicht auf den Boden achtete und in einen Brunnen stürzte. Eine Magd soll ihn dabei beobachtet und ausgelacht haben: Er betrachte die weit entfernten Sterne, sehe aber nicht das, was direkt vor seinen Füßen liege.
 
Anaximander


(ca. 610-547 v. Chr.) Anaximander lebte ebenfalls in Milet und war wahrscheinlich ein Schüler des Thales. Die Welt, so meinte er, sei aus dem Unendlichen, dem Unbegrenzten (griech. „apeiron“) entstanden.

Anaximenes


(ca. 585-528 v. Chr.) An Anaximander anknüpfend meinte er, alles entsteht aus der Luft. Durch Verdünnung entsteht Feuer, durch Verdichtung der Luft entsteht Wasser bzw. Gestein.

Die Eleaten


Mit der Frage, wie es zu Veränderungen zwischen den Stoffen kommt, beschäftigten sich beginnend mit Anaximenes von etwa 500 v. Chr. an einige Philosophen in der griechischen Kolonie Elea in Süditalien. Die bekanntesten unter ihnen waren Parmenides (ca. 520-460 v. Chr.) und sein Schüler Zenon (ca. 490-430 v. Chr.). Parmenides vertrat die Ansicht, dass die Veränderungen in der Welt nur scheinbar vor sich gehen, in Wirklichkeit gibt es nur ein unwandelbares, ewiges Sein. Auch Zenon beschäftigte sich mit Begriffen wie Raum, Zeit und Kontinuum und behauptete, dass jegliche Bewegung unmöglich sei. Letzteres versuchte er anhand von verschiedenen Paradoxien zu zeigen: Berühmt wurde das Beispiel vom Wettrennen zwischen Achill und der Schildkröte.

 

Achill und die Schildkröte
Der flinke Achill und die Schildkröte machen ein Wettrennen über 100 Meter, die Schildkröte erhält einen Vorsprung von 10 Metern. Als Achill den Ort erreicht, von dem die Schildkröte gestartet ist, ist diese jedoch schon um ein paar Zentimeter weiter gekrochen. Als Achill diesen Punkt erreicht hat, ist sie jedoch schon wieder um wenige Millimeter weiter, usw. Das paradoxe daran ist also, dass Achill die Schildkröte nie erreichen kann.

Pythagoras


(ca. 570-510 v. Chr.) Pythagoras stammte aus Samos in Kleinasien, wirkte dann aber in Kroton (Süditalien), wo er eine Schule sowie eine religiös-philosophische Bewegung gründete. Aufgrund fehlender Quellen ist bis heute der genaue Inhalt seiner Lehre umstritten. Sicher ist aber, dass die Mathematik eine große Rolle spielte („Satz des Pythagoras“). In den Zahlen und ihrem Verhältnis zueinander drückt sich für Pythagoras eine universelle Harmonie aus, der jegliche Materie untergeordnet ist. Auch die Musik ist Ausdruck dieser Harmonie insofern, als z.B. die Länge der Saiten einer Laute harmonischen Klängen und diese wiederum mathematischen Proportionen entspricht. Auch im Kosmos finden sich diese Harmonien wieder („Sphärenklänge“). Platon, auf dessen Lehre er großen Einfluss hatte, meinte, Pythagoras sei überhaupt der erste gewesen, den man zu Recht „Philosoph“ genannt habe.

Heraklit


(ca. 520-460 v. Chr.) stammte aus Ephesos in Kleinasien. Weil seine Philosophie schon den Zeitgenossen ziemlich rätselhaft erschien, wurde er mit dem Beinamen „der Dunkle“ versehen. Heraklit meinte, dass alles in Bewegung sei und nichts ewig währt; Auf eine Formel gebracht: „Alles fließt“ (griech. „panta rhei“). Bildlich gesprochen können wir nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Er wies auch darauf hin, dass die Welt von dauernden Gegensätzen geprägt ist, innerhalb derer sich die Veränderungen ereignen: Tag und Nacht, Wachsein und Schlafen, Einigkeit und Zwietracht, Hitze und Kälte.

Empedokles


(ca. 495-435 v. Chr.) Der aus Sizilien stammende Philosoph vertrat die Meinung, die Natur habe insgesamt vier Urstoffe – Erde, Feuer, Wasser und Luft. Spektakulär soll sein Ableben gewesen sein: Der Legende nach soll er sich durch einen Sprung in den Ätna das Leben genommen haben.

Anaxagoras
(ca. 499-428 v. Chr.) Anaxagoras brachte die ionische Naturphilosophie nach Athen und stand dort dem Staatsmann Perikles sowie dem Dichter Euripides nahe. Auch Sokrates soll ihn sehr geschätzt haben. Er meinte, die Natur sei einerseits aus vermischten Stoffen (Materie) zusammengesetzt, daneben gebe es aber auch den Geist (griech. „nous“). Er behauptete auch, die Sonne sei nichts anderes als ein glühender Feuerball, wurde deswegen der Gottlosigkeit angeklagt und musste Athen verlassen. An seinem Sterbebett soll er als letzten Wunsch geäußert haben, die Schüler sollen einen Tag schulfrei haben…

Demokrit


(ca. 460-380 v. Chr.) Demokrit, auch genannt der „lachende Philosoph“, angeblich, weil seine Heimatstadt Abdera als „Schildbürgerstadt“ galt, war Schüler des Philosophen Leukipp. Er soll sehr viele Schriften verfasst sowie weite Reisen unternommen haben. Wie sein Lehrer vertrat er eine materialistische Weltsicht: Alles ist aus kleinen, unsichtbaren Bausteinen zusammengesetzt, von denen jeder einzelne ewig und unveränderlich ist. Demokrit nannte diese kleinsten Teile Atome. (von griech. „atomos“, unteilbar) Es gibt unendlich viele von einander verschiedene Atome. Wenn diese in unterschiedlicher Weise zusammenfallen, entstehen die einzelnen Elemente. Auch die Seele besteht aus Atomen, allerdings aus den vollkommensten, feinsten und glattesten. Bis heute gilt Demokrit als Vordenker unseres modernen Atommodells.

Die Sophisten


In der Mitte des 5. Jh. v. Chr. wurde Athen zum Zentrum der Kultur und Wissenschaft. Die so genannte „Attische Demokratie“ mit Volksversammlungen und Gerichten wurde eingeführt, wodurch auch Nichtadlige zu politischem Einfluss gelangen konnten. Grundlage dafür war höhere Bildung und Redegewandtheit (Rhetorik). Beides lehrten die Sophisten, die bekanntesten waren Protagoras, Gorgias, Kritias, Thrasymachos und Hippias. Sie sollen als erste in der Öffentlichkeit gelehrt und dafür auch Geld genommen haben. Die Sophisten wandten sich von naturwissenschaftlichen Fragestellungen ab und stellten den Menschen sowie die Sprache selbst in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Von Platon sowie generell von der Nachwelt wurden die Sophisten wegen ihrer spitzfindigen Argumente scharf kritisiert und weil es ihnen nur darauf ankam, die Zuhörer mit rhetorischen Tricks zu überzeugen, obwohl sie in der Sache eigentlich unrecht hatten. Philosophisch betrachtet leugneten sie die Existenz einer allgemeingültigen Wahrheit (Relativismus).

„Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ 
(Protagoras, ‚Homo-mensura-Satz“)


Zuletzt geändert: Dienstag, 23. Januar 2018, 16:45